Dass die Forerunner Familie, im speziellen die Garmin Forerunner 945 und 935, nicht nur für Läufer geeignet sind, sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben. In großen Teilen bieten beide Modelle die identischen Features wie die Garmin Fenix 5/5 Plus Modelle und im Fahrrad-Bereich übertreffen sie die Garmin Edge-Serie am Funktionsumfang teils deutlich. Für Rennradler, Mountainbiker, Crosser, Gravelbiker und alle anderen ambitionierten Radfahrer welche vielleicht noch einem anderen sportlichen Hobby nachgehen, ist die Garmin Forerunner 945 mehr als ein zweiter Blick wert.

Eine erste kurze Einleitung zur Garmin Forerunner 945 findet ihr hier. Denn in diesem Beitrag geht es hauptsächlich um die Eigenschaften als Rad-Computer. Zur Vergleichbarkeit nutze ich deren Vorgänger, die Forerunner 935 welche weiterhin erhältlich ist und ihr euch bei Interesse für diese Uhr, diese Kaufberatung durchlesen solltet.

Da die grundlegenden Fahrrad-Funktionen beider Forerunner-Modelle nahezu identisch sind, werde ich nur auf die tatsächlichen Neuerungen der 945 eingehen. Alle weiteren vorhandenen Rad-Features finden sich schon im Beitrag zur Forerunner 935.

GPS-Genauigkeit

Der wohl wichtigste Test zuerst, die Genauigkeit der Track-Aufzeichnung. Schließlich hängt damit unmittelbar die zurückgelegte Distanz, die Geschwindigkeit und die Durchschnittsgeschwindigkeit (wenn keine weiteren Sensoren genutzt werden) zusammen. Für viele Radler sind dies die wohl wichtigsten zu erfassenden Werte.

Neben GPS unterstützt die Forerunner 945 auch GLONASS und Galileo als System zur Positionsbestimmung. GLONASS und Galileo können bei Garmin allerdings (noch) nicht einzeln, sondern immer nur im Verbund mit GPS genutzt werden. Die von Garmin empfohlene Kombination ist GPS+GLONASS. Dies soll bei moderatem Akkuverbrauch die beste Genauigkeit garantieren. Mit sekündlicher Aufzeichnungsgenauigkeit, bin ich auf dem Cyclocrosser eine Runde durch Stadt und Wald gefahren und habe 945 und 935 gleichzeitig aufzeichnen lassen. Dabei ist folgende Strecke heraus gekommen.

Zoomt man etwas herein und sieht sich die Aufzeichnung im Detail und über die gesamte Strecke an, fällt deutlich auf, dass die Forerunner 945 (grün) deutlich mehr Überlagerungen mit den zugrunde liegenden Wegen hat, als die Forerunner 935 (rot). Ohne auf die Schwächen der 935 einzugehen, gibt die 945 damit ein großartiges Bild ab. Das hatte ich so nicht erwartet, denn sie besitzt einen neuen Sony GPS-Chip (welcher zu einer erhöhten Akku-Laufzeit beitragen soll), der aber bei anderen Testern bisher nicht immer gut abgeschnitten hat und hier die 935 teils bessere Ergebnisse lieferte. Inwieweit eventuell in der Zwischenzeit erschienene Firmware-Updates zur Besserung beigetragen haben, kann ich nicht sagen. Ich bin mit dem Ergebnis aber sehr zufrieden.

Forerunner 935Forerunner 945
Distanz18,15 km18,16 km
Höhenmeter48 hm49 hm
Ø Geschwindigkeit26,2 km/h 26,2 km/h

Am Ende der 18 Kilometer langen Testfahrt stimmen Distanz, Geschwindigkeit und Höhenmeter auf den beiden Uhren annähernd überein. Die Abweichungen betragen bei Distanz und Höhenmeter gerade mal 1 Meter, während die Durchschnittsgeschwindigkeit identisch ist.

Navigation & Maps

Die wohl größte Neuerung an der Forerunner 945 betrifft die Integration von umfänglichen Kartendaten und einer vollwertigen Navigation. War bei der Forerunner 935 nur eine Trackverfolgung vorhanden, die zwar oft ausreicht, aber hin und wieder durch fehlende Details dazu führte, dass man kurzzeitig die falsche Abzweigung nahm, so gehört das bei der 945 der Vergangenheit an.

Das zugrunde liegende Kartenmaterial basiert auf OpenStreetMap und ist daher sehr umfangreich mit POIs und anderen Informationen versehen. Man erhält von Garmin kostenfrei Kartenmaterial für die Region, in der man die Forerunner gekauft hat. Ich habe für ganz Europa die topografischen Karten erhalten, sowie eine weltweite Basemap welche die größten Straßen, Orte und weitere Landschaftsinformationen enthält.

Die Anzeige der Karten lässt sich umfangreich verändern. Detailgrad, Ausrichtung, Höhenlinien, Nutzerposition, Auto-Zoom, Segmente…

Die Karte steht auch als eigenständige App auf der Uhr zur Verfügung. Möchte man also nur navigieren oder sich die Umgebung auf der Karte ansehen, so ist dies auch ohne Aufzeichnung einer Sportart möglich.

Jetzt abbiegen!

Erst im Zusammenspiel mit der Navigation entfalten die Karten ihre ganze Power. Hier stehen verschiedene Navigationsmöglichkeiten auf der Forerunner 945 zur Verfügung. Die wohl gängigste und am meisten genutzte, dürfte die Strecken-Navigation sein, bei der eine vorher erstellte Strecke abgefahren wird. Generell verfügt die Forerunner 945 auch über die Möglichkeit von Abbiege-Hinweisen. Allerdings ist diese Funktion in 3 unterschiedlichen Ausprägungen umgesetzt:

  • Wenn eine per Garmin Connect erstellte Strecke auf die Uhr übertragen wird, stehen Abbiege-Hinweise zur Verfügung, welche die Distanz bis zur nächsten Abbiegung und die Abbiege-Richtung anzeigen. Per Ton und Vibration kann ich mich rechtzeitig über die Abbiegung informieren lassen.
  • Wenn eine Strecke über eine Drittanbieter-Software (z.B. Komoot oder GPSies) erstellt und auf die Uhr übertragen wurde, werden mir keine Abbiege-Hinweise angezeigt, sondern lediglich der komplette Streckenverlauf samt verbleibender Distanz. Nur per Ton werde ich informiert, wenn ich falsch abgebogen bin.
  • Wenn ich direkt auf der Uhr die Navigation starte und ein beliebiges Ziel wähle, stehen die umfangreichsten Abbiege-Hinweise zur Verfügung. Neben der Distanz zeigt die Uhr an auf welche Straßen samt Straßennamen ich abbiegen soll und auf der Karte wird die Abbiege-Richtung stark hervorgehoben angezeigt. Per Ton und Vibration kann ich mich rechtzeitig über die Abbiegung informieren lassen.

Neben der Navigation über eine bereits im voraus erstellte Strecke, kann ich auch eine spontane Navigation zu jedem beliebigen Ziel starten. Man hat die Möglichkeit entweder aus unzähligen POIs auszuwählen oder das Ziel direkt auf der Karte zu setzen. Als Navigationsziele lassen sich außerdem Koordinaten und alte Aktivitäten setzen.

Darüber hinaus beherrscht die Garmin Forerunner 945 das zufällige Erstellen eines Rundkurses nach Angabe der gewünschten Distanz. Sollte man von der vorgegebenen Route anschließend abweichen, berechnet die Uhr automatisch eine neue. Unterschiede zu einem Navigationsgerät wie man es aus dem Auto kennt, gibt es daher fast keine mehr. Zu aller Freude geht die Berechnung von neuen Navigationszielen sehr schnell. Auch die Navigation steht als eigenständige App auf der Uhr zur Verfügung. Darüber hinaus kann ich pro Sportaktivität, meine eigenen Routing-Vorlieben definieren. Für meine Rennrad- oder Fahrrad-App, kann ich hiermit festlegen, dass z.B. nur befestige Wege beim Routing benutzt und Autobahnen vermieden werden soll. Auch schnellster oder direkter Weg zum Ziel lassen sich einstellen. Hier hat mich die Forerunner 945 mit den umfangreichen Routing-, Karten- und Navigationsoptionen wahrlich positiv überrascht.

ClimbPro

Ein neues Feature der Garmin Forerunner 945 auf welches ich mich sehr gefreut hatte, hört auf den Namen Garmin ClimbPro. Es ist eines der Features welches für Rennradfahrer und Mountaibiker von besonderem Interesse ist und ich deshalb darauf etwas näher eingehen werde. Doch leider erwies sich meine Vorfreude hier als unbegründet. Aber von Anfang an.

Was ist ClimbPro?

  • ClimbPro ist eine Funktion, die es Läufern und Radfahrern ermöglichen soll, Steigungen in bergigem Gelände besser einschätzen zu können. Sobald eine Strecke erstellt und auf die Uhr geladen wurde, werden Steigungen automatisch erkannt und gesondert dargestellt. So erhält man über die einzelnen Steigungen mehr Informationen zur verbleibenden Gesamthöhe, der Entfernung oder des durchschnittlichen Anstieges.
  • Die Daten basieren auf dem Streckenprofil, der Entfernung der Steigungen und der Art der Aktivität. So sorgt ein flacher Track für einen leichten Aufstieg, der bei einem bergigen Aufstieg nicht möglich ist, da die Gesamtprofile unterschiedlich sind.
  • ClimbPro hat zwei automatisch wechselnde Modi: „Während eines Anstiegs“ und „Außerhalb des Anstiegs“. Während eines Aufstiegs werden die Informationen für den aktuell aktiven Aufstieg angezeigt und Außerhalb des Anstiegs zeigt Informationen für den nächsten Aufstieg an.

Bevor wir ClimbPro nutzen können, muss es zuerst einmal in der jeweiligen Aktivitätseinstellung aktiviert werden. In meinem Falle für Radfahren. Im Anschluss braucht es noch eine Strecke, welche über die Navigationsoption abgefahren werden soll. Die Berechnung und Erstellung der Steigungssegmente übernimmt die Uhr automatisch und es lässt sich darauf kein Einfluss nehmen. Auch die beiden Modi bzw. Datenseiten „Während“ und „Außerhalb eines Anstiegs“, werden automatisch angezeigt.

Die Anzeige und automatische Umschaltung während man einen Anstieg fährt, funktioniert super. Wo es aber sehr großen Nachholbedarf gibt, ist die Berechnung der Steigungen. Denn man darf es sich keinesfalls so vorstellen, dass ähnlich wie bei Strava- oder Garmin-Segmenten, die Steigungen ähnlich präzise ausfallen. Vielmehr passiert es, speziell bei flacheren Strecken, dass prägnante Steigungen mit anderen Steigungen kombiniert werden. Selbst bei sehr großen und langen Anstiegen die klar abzugrenzen sind, kommt es zu Problemen.

Am besten lässt sich dies vielleicht am Beispiel Stilfser Joch erklären. Hier wird bei einer Route welche über das Joch verläuft, in meinem Falle der Anstieg ab dem Abfahrtsort (Laas/Lasa) berechnet und als Steigung angezeigt. Theoretisch mag das stimmen, aber von Laas/Lasa bis Prad, geht es auf 10 Kilometern Länge nur ganz seicht bergan. Somit zeigt mir die Uhr statt den geläufigen 24,6 km und 1.844 HM ab Prad, eine Steigung mit der Länge von 33 Kilometer an. Dies verfälscht schließlich die Anzeige der durchschnittlichen Steigung und auch die Anzeige des Höhenprofils leidet darunter. Und bei flacheren Strecken wirkt sich dies dahingehend aus, dass mehrere kleinere Steigungen auch gern kombiniert werden. Eine genaue Abbildung von exakten Steigungen ist somit derzeit nicht möglich.

In der Theorie ist ClimbPro eine tolle Sache, in der Praxis aber, wenn überhaupt, nur bei größeren Anstiegen von Nutzen.

Weitere Beobachtungen

Im Zuge des Vergleiches zur Forerunner 935 sind mir noch einige weitere Besonderheiten der 945 aufgefallen.

  • Die Synchronisation über Bluetooth zur Garmin Connect App oder per WLAN, geht deutlicher schneller.
  • Geplante Strecken zur Navigation werden schneller geladen und angezeigt.
  • Die Komoot-App läuft viel stabiler. Bisher keine Abstürze oder nicht übertragene Strecken.
  • Die Auto-Pause, wenn angehalten, aktiviert sich einige Sekunden später als bei der Forerunner 935. Dies ist unabhängig von der Sportart.
  • Generell bessere Performance beim Navigieren durch die Menüs, Apps und Karten.

Fazit

Schon die Forerunner 935 ist eine bis unter die Haube mit Features vollgepackte Multi-GPS-Sportuhr, die bei Rad-Sportarten alles bietet was ein ambitionierter Radsportler sich nur wünschen könnte. Daten und Sensoren in Hülle und Fülle. Eine immense Möglichkeit an Individualisierungen und mit Garmin Connect ebenso viele Optionen der Auswertung.

Die Garmin Forerunner 945 toppt dies noch mit der sehr gelungenen Umsetzung und Integration der Karten und Navigation. ClimbPro kann meine Erwartungen leider nicht erfüllen und vielleicht bessert Garmin in Zukunft mit Software-Updates noch etwas nach. Die GPS-Aufzeichnung hat nochmals einen Schritt nach vorn gemacht und ist bei meiner Aufzeichnung tatsächlich besser als die ohnehin schon sehr gute Forerunner 935.

Neben den hier vorgestellten Software-Neuerungen im Fahrrad-Bereich, verfügt die Uhr noch über gefühlt 1.000 weitere Features. Ob dies aber einen Preis von derzeit rund 600€ (ohne Bundle) rechtfertigt und ob die Forerunner 935 da nicht die bessere Wahl wäre, habt ihr hoffentlich schon hier nachgelesen.