Heute auf den Tag genau vor 2 Jahren entschied ich mich, kein Fleisch und kein Geflügel mehr zu essen. Mit einem Schlag mutierte ich vom Karnivoren zum Piscivoren oder genau gesagt zum Pescetarier.
Der Pescetarismus ist im Grunde eine Ernährungsweise bei der auf den Verzehr von gleichwarmen Tieren verzichtet wird. Ob man dabei auch auf andere tierische Lebensmittel wie Milch, Eier und Honig verzichtet, ist jedem selbst überlassen. Ich tue dies nicht, versuche aber im gleichen Zuge der Ernährungsumstellung auch auf nachhaltigere und Bio-Produkte umzusteigen.
Warum?
Warum nicht? Denn wenn wir uns ehrlich die Frage stellen, warum wir Fleisch und Geflügel essen, kommt man recht schnell zu dem Schluss, dass es keinen trifftigen Grund dafür gibt, aber viele gute Gründe dagegen.
Speziell folgende Aspekte waren für mich persönlich ausschlaggebend:
- Umweltschäden durch die Massentierhaltung
- Entstehung von multiresistenten Keimen bedingt durch den übermäßigen Antibiotika Einsatz in der Massentierhaltung
- Fleisch und Geflügel welches durch Keime belastet ist
- eventuelle negative gesundheitliche Auswirkungen des Fleisch- und Geflügelkonsum
- und natürlich das Leid der Tiere
Der militante Fleischverfechter wird nun sagen, leiden denn die Fische nicht? Doch tun sie auch, allerdings ist es für mich weitaus erträglicher einen Fisch zu essen der im freien Meer (keiner Aquakultur) groß geworden ist und dann getötet wird. Zudem ersetzt der Fisch bei mir nicht den Fleisch- und Geflügelkonsum, sondern wird genauso viel oder wenig verzehrt wie zuvor. Im Grunde esse ich nun also mehr vegane und vegetarische Gerichte.
War es schwer?
Nein, allerdings kommen mir da mehrere Umstsände zu Gute. Der mit Abstand größte ist meine Essens-Devise: Ich esse um zu leben – statt – ich lebe um zu essen. Meine Nahrungsaufnahme ist somit losgekoppelt von groß zelebrierten Zubereitungstechniken oder andersweitig unnatürlich mit dem Essen verbundenen neuzeitlichen Ritualen. Der Verzicht auf Fleisch fiel mir also besonders leicht und ausbleibende Heißhungerattacken bestätigen meine Einstellung zu dem Thema.
Was sagen andere?
Mir ist die Meinung anderer nicht grundsätzlich egal, aber bei gewissen Personen die eine so verfestigte Voreingenommenheit gegenüber den Themen vegetarischer, veganer und weiterer Ernährungsformen haben, begegne ich meißt mit einem Trick. Sobald man während des Gespräches feststellt, dass das Gegenüber sich über einen lächerlich macht, füge ich jetzt den Hinweis hinzu, dass ich meine Ernährung aufgrund einer Krankheit umstellen musste. Oft bleibt spätestens dann den meißtens das Lachen im Hals stecken 🙂 und ich kann etwas sachlicher mit den Pro-Argumenten um die Ecke kommen.
Zum Großteil wird einem aber mit Neugier begegnet und bei älteren Semestern höre ich zu 90% als erstes folgende Frage: Was isst du denn dann überhaupt noch?….als gäbe es nur Fleisch und Geflügel auf der Welt.
Was bringt es?
Viel! Denn wie in Studien schon ermittelt, leben Pescetarier im Durchschnitt noch länger als Vegetarier. Neben physiologischen Gründen, scheint es auch eine Rolle in der menschlichen Entwicklungsgeschichte zu spielen, dass wir zu Urzeiten fast ausschließlich an Gewässern siedelten und dort Fisch zu uns nahmen. Dafür spricht auch eine These, wonach 60% unseres Gehirnes aus Stoffen besteht, deren Bio-Synthese auf Omega 3 Fettsäuren basiert, welche bekanntermaßen reichlich in Fisch vorhanden sind.
Im Bezug auf meine Gesundheit fühle ich mich deutlich wohler (leistungsfähiger, wacher) seit ich kein Fleisch und Geflügel mehr esse. Beigetragen hat dazu aber sicherlich auch eine noch bewusstere Ernährung als zuvor.
Speziell im sportlichen Bereich beim laufen oder radeln konnte ich weder positive noch negative Auswirkungen feststellen, findet doch der Muskelaufbau durch die pflanzlichen und tierischen Eiweiße aus Milch und Eier weiterhin statt.
Insofern sehe ich den kommenden Jahren entspannt entgegen und freue mich über jede Kuh, jedes Schwein und jedes Huhn, was wegen mir weniger geschlachtet werden muss. Und erfreue mich natürlich an meiner Gesundheit, welche wohl der beste Grund ist weiter zu machen.
15. Mai 2016 um 19:25 Uhr
Beim Verzehr von Fisch würde ich mir noch folgende Gedanken machen:
– Überfischung der Meere
– Entzug der Ernährungs-und Existenzgrundlage vieler Menschen, die auf den Fischfang angewiesen sin, Stichwort: Unsere Hightech-Fischerboote fischen u.a. Indogenen Völkern, die keine Alternative haben den Fisch weg
– Belastung der Fische mit Quecksilber und anderem Gift
Insofern halte ich deine Umstellung, insbesondere auf Bio und hoffentlich, sofern möglich auch fair, bzw saisonal und regional für einen tollen ersten Schritt, dem aber noch einige weitere folgen können, wenn du möchtest 😉
16. Mai 2016 um 11:17 Uhr
… zum Thema Milch und Käse wollte ich noch anmerken, dass keine Milcherzeugung ohne Kälberzucht möglich ist und gerade für Butter und Käse sehr viel Milch benötigt wird. So unterstützt man mit diesen Produkten zwangsläufig auch die Fleischerzeugung / Massentierhaltung, die du ja eigentlich möchtest.
… bei den Eiern ist es ähnlich. Zum Eierlegen sind nur die Hennen geeignet und die Hähne derselben Rasse eignen sich aber leider nicht als Suppenhuhn (derzeit wird an sog. Hybridhühnern gezüchtet, aber das ist ein extremer Sonderfall). So unterstützt man mit seinem Eierkauf, dass Millionen von Hähnen-Kücken, sobald sie als solche erkennbar sind, vergast oder direkt geschredderd werden – und natürlich ebenso Massentierhaltung und den massiven Einsatz von Antibiotika. Auch wenn dein Frühstücksei bio ist, sind doch die Eier in Fertig- und Halbfertigprodukten, die nicht bio sind, im Zweifelsfall auch wieder aus der Batterie in Osteuropa.. Die meisten Eier werden übrigens nicht direkt als Frühstücksei sondern als Zutat in diesen Produkten verkauft und gegessen.
… isst du Garnelen, nimmst du ebenfalls eine erhebliche Menge Medikamente zu dir. Außerdem ist die Garnelenzucht eine extrem schlimme Angelegenheit. Hierzu werden Regenwälder abgeholzt, um Zuchtbecken anlegen zu können, die aufgrund des massiven Chemikalieneinsatzes nur relativ kurz genutzt werden können, bis die Fläche zu stark verseucht ist, dann wird wieder Wald abgeholzt für neue Becken usw. …
Bei Interesse einfach im Web weiter recherchieren. Ist alles wohlgemerkt als Anregung und Info gedacht. Natürlich muss jeder selbst für sich entscheiden, was er wie konsequent macht.
Ich frage mich zum Beispiel gerade, wie fair die Sportschuhe der unterschiedlichen Hersteller produziert werden?! Unterstützt man mit dem Kauf ausbeuterische Kinderarbeit unter menschenunwürdigen Bedingungen? Gibt es Alternativen?
16. Mai 2016 um 17:24 Uhr
Hallo Markus,
deine Denkanstöße sind mir gut bekannt, aber bisher nicht vorrangiges Ziel meiner Ernährungsumstellung. Wenn man sich laut Greenpeace als Pescetarier nach deren neuesten Ratschlägen zu ungefährdeten Fischarten ernährt, käme bei mir wohl nur noch Karpfen auf den Tisch (oder jeglicher Fisch aus einheimischer, natürlicher Zucht). Da findet sich aber in den Supermärkten fast nie etwas davon. Entweder hat man das Glück und wohnt in direkter Umgebung einer Fischzucht, oder muss wieder teuer im Spezialitäten-Laden kaufen.
So gern ich auch diesen unsinnigen Kreislauf der Lebensmittelindustrie durchbrechen würde, ist es doch mit recht viel Arbeit, zeit-intensiver Recherche und nicht zuletzt mit höheren Lebensmittelkosten verbunden (die man durch eine Bio-Ernährung ohnehin schon hat).
Wie du also richtig attestiert, sollte man selbst entscheiden was man tun möchte, ein klein wenig missionarische Arbeit für die gute Tat sei aber erlaubt 🙂
Das Thema Kinderarbeit sollte man differenzierter beachten, hier gibt es zunehmend Stimmen die in bestimmten Grenzen auch Kinderarbeit als ethisch vertretbar ansehen. Sobald es aber einen ausbeuterischen Charakter hat und nicht auf Freiwilligkeit basiert und die Bildung/Gesundheit des Kindes stört, gehört sie verboten.
16. Mai 2016 um 17:49 Uhr
Ja, zwecks Kinderarbeit bin ich deiner Meinung, deshalb hatte ich auch „ausbeuterische Kinderarbeit unter menschenunwürdigen Bedingungen?“ geschrieben und nicht pauschal Kinderarbeit. Leider sieht die Praxis aber in der Regel der Kleidungsproduktion normalerweise ausbeuterisch und menschenunwürdig aus. Einen Tipp / Infos dazu hast du also nicht, oder?!
Bei Klamotten bin ich inzwischen fündig geworden, da gibt es einige Alternativen. Natürlich auch teurer, aber dafür bekommt man auch ein ungleich besseres Gefühl beim Tragen und schult sich auch darin, besser mit der Kleidung umzugehen, damit sie länger hält, was ja auch wieder eine positive Auswirkung hat.
Und ja, sich Gedanken um einen nachhaltigen Lebensstil und Konsumverhalten zu machen ist natürlich unbequem. Vor allem auch, weil man sich mit immer mehr katastrophalen Fakten konfrontiert. Aber mir ist es die Sache wert und wenn man noch ein paar weitere Leute auf die Idee bringt, kann man noch viel mehr erreichen, als wenn man seine Infos für sich behält. Deshalb scheue ich mich nicht ein bisschen zu missionieren, ich finde es ist für einen guten Zweck 😉
20. Mai 2016 um 22:36 Uhr
Ich finde so etwas immer erstaunlich, wenn man selbst sich auf diese bewusste Ernährung „eingliedert“. Von den Gründen ein wenig abgesehen, dass man sich selbst damit mehr beschäftigt.
Andererseits finde ich es mittlerweile irritierend, wie viele „Definition“ von verschiedenen Lebensmittel es gibt. Meiner persönlichen Empfindung sprengt das gerade, den Definitionsbereich von „Essensbereichen“. Ich sehe es eher personalisierter. Du ist kein Huhn und Fleisch, Punkt.
Die Gründe, für diese Entscheidungen dürften sehr vielfältig sein, dein „Ich habe keine Lust mich zu Rechtfertigen“-Argument (Gesundheitlich), ist genauso ein Grund, wie den, den du schilderst. Da sollte jeder seine eigene Mitte für sich finden.
Ich selbst habe leider dazu wenig Bezug zum Essen. Zum Teil mag ich mir keine Gedanken machen, weil ich das Thema zu komplex finde und man überall etwas findet, wo anfangen? Zusätzlich kommt meine eigene „Ernährungsunwissenheit“ dazu. Nicht nur theoretisch. Zu spät gemerkt, dass man Hunger hat, dann „per Definition“ etwas falsch. Dabei bin ich kein Mensch, der zu McDoof oder Burger geht, dass kann ich absolut nicht leiden.
Ich empfinde, jedem das Recht zu entscheiden, was er selbst essen sollte. Dabei finde ich es komisch, dass die Leute „angeprangert“ werden, die eben einer dieser Definitions Ernährungen (Veganer, Vegi, Pescetariar, etc.) verfolgen. Vielleicht kann ich mir nicht vorstellen, ohne Käse zu leben und was es alles gibt. Ich empfinde es erstaunlich, wie sich solche Leute doch immer Gedanken um ihr Essen bzw. um die Zubereitung machen. Für mich ist das meist eine hoch anzurechnende Eigenschaft, die ich persönlich meist beneide.
Da spiegelt sich meine Erfahrung dadurch wieder. Selbst bei bewusst lebenden „alles Fressern“. 😉
Nicht die Tatsache ohne Fleisch zu leben, sondern die Tatsache, sich darüber Gedanken zu machen. Der Gedanke kann schon damit anfangen, vom Fleischer um die Ecke einzukaufen, bei dem man selbst nachsehen kann, wie er die Tiere hält, statt „Ja“-Produkt.Das wäre schon bewusster.
Und „Gräultaten“; gibt es genug, dass dürften vielen klar sein. Alle ausmerzen kann man sie wohl erst auf dem Sterbebett oder alleine im Wald.
Man kann nicht jeder einer gleichen Meinung sein, aber tolerieren. In meinem Fall und deinem Pes..(*spickt*)cetarier spiegelt einer bewussteren Gedankenweise ab und man sollte nicht darauf herum prangern, dass man evtl. „nur“ die Kühe und Hühner vom schlachten gerettet hat, aber weiterhin Kinderarbeitsklamotten kauft, ohne es evtl. zu Wissen. Womit ich niemanden anprangern will.
Jeder wie er mag und ich empfinde, dies wie gesagt, erstaunlich und respektabel, dass einen dieser bewusste Weg, auf einer Art und Weise gelingt, die einen selbst zufrieden stellt.
Grüße
Javen